Zu viel Nitrat im Wasser – Deutsches Düngerecht ist der EU zu lasch
Noch immer landet über den Dünger zu viel Nitrat im Grundwasser, das schadet Pflanzen und Tieren. Das ärgert die EU – auch die Spannungen zwischen der deutschen Umwelt- und Agrarministerin nehmen zu.
Im Kampf gegen zu viel Nitrat im Grundwasser kommen strengere Auflagen fürs Düngen auf die deutschen Bauern zu – und wachsender Unmut aus Europa. Hintergrund ist ein länger andauerndes Tauziehen zwischen Brüssel und dem deutschen Landwirtschaftsministerium über die Frage, wie die Nitrat-Einbringung in Gewässer durch die Landwirtschaft verringert werden könnte.
Die EU hat Deutschlands Vorgehen bereits früher als nicht ausreichend gerügt. Daraufhin hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen Vorschläge vorgelegt, wie das Düngerrecht verschärft werden könnte. Problem: Auch diese Vorschläge sind der EU-Kommission zu lasch. Sie hat Berlin noch einmal Aufschub gegeben, allerdings nur bis Ende März.
Das schürt wiederum Unmut bei deutschen Bauern – und könnte die Spannungen in der Bundesregierung und zwischen SPD und CDU verschärfen. Denn: Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) zeigt Verständnis für die Bauern. Gewässerschutz sei zwar wichtig, müsse für Landwirte aber auch machbar bleiben. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hingegen dringt auf ein rasches Handeln der Koalition.
“Nicht ehrgeizig genug”
Vor allem in Regionen mit ausgeprägter landwirtschaftlicher Nutzung ist das Grundwasser in Deutschland an vielen Stellen seit Langem zu stark mit Nitrat belastet. Es stammt hauptsächlich aus Dünger, etwa Gülle. Pflanzen brauchen Nitrat zum Wachsen. Wenn aber Gewässer überdüngt werden, schadet das Pflanzen und Tieren. Aus Nitrat entstehen zudem Nitrite, und die sind gefährlich für die Gesundheit.
Deutschland hat Ärger mit Brüssel, weil an vielen Messstellen die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasser überschritten werden. Bereits 2017 wurde nach langem Streit zwischen Agrar- und Umweltministerium das Düngerecht verschärft. Weil das aus EU-Sicht nicht ausreichte, hat die Bundesregierung im Januar und Februar nachgelegt. Das war Brüssel allerdings auch noch zu zaghaft: In einem Brief vom vergangenen Montag nannte Umweltkommissar Karmenu Vella dies “nicht ehrgeizig genug” und forderte, das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen.
Zudem kritisierte er, dass sich die deutschen Behörden Anfang März noch nicht zu “weiteren erforderlichen Gesetzesänderungen” verpflichtet hätten, und forderte Nachbesserungen bei den Dünge-Sperrzeiten und der Düngung auf stark geneigten Böden. Wenn Deutschland beim Nitrat weiter gegen EU-Vorgaben verstößt, könnten hohe Strafzahlungen auf die Regierung zukommen.
Unterschiedliche Interessen in der Koalition
Politisch ist das kompliziert, weil das EU-Verfahren sich gegen das Umweltministerium richtet, aber das Agrarministerium für das Düngerecht zuständig ist. “Auch um teure Strafzahlungen an die EU zu vermeiden, muss die Bundesregierung das Düngerecht schnell weiter verbessern”, sagte Umweltministerin Schulze.
Agrarministerin Klöckner kündigte indessen an, Anfang April an einer Protestkundgebung von Bauern in Münster teilzunehmen. Es gehe darum, zu verdeutlichen, dass Grundwasserschutz alle angehe, dass die EU Vorgaben mache, diese aber auch “praktikabel” sein müssten, schrieb sie auf Twitter.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), in dem Trinkwasserversorger organisiert sind, begrüßte hingegen den Druck aus Brüssel. “Wir brauchen deutlich mehr Anstrengungen, um den Nitrateintrag in unseren Gewässern zu reduzieren”, sagte VKU-Vizepräsident Karsten Specht.
Streit auch über Glyphosat
Auch an anderer Stelle ziehen beide Ministerien erkennbar nicht an einem Strang. Im Streit über die Zulassung eines Unkrautgifts mit dem umstrittenen Inhaltsstoff Glyphosat hat Umweltministerin Schulze Landwirtschaftsministerin Klöckner gerade erst eigenmächtiges Handeln vorgeworfen. “Normalerweise machen wir das gemeinsam, sie hat ohne die Zustimmung meiner Behörden da eine Genehmigung ausgesprochen”, sagte Schulze dem Deutschlandfunk. “Das geht nicht.” Im Koalitionsvertrag sei klar geregelt, dass Deutschland aus Glyphosat aussteigen solle.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das zum Agrarministerium gehört, hatte im Februar 18 Pflanzenschutzmittel befristet bis Ende 2019 zugelassen. Darunter ist eines, das den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat enthält. Nach Darstellung des Umweltministeriums wurden dabei Auflagen des Umweltbundesamts (UBA) missachtet, nämlich Anwendungsbestimmungen zur Schaffung von Ausgleichsflächen, die Artenvielfalt schützen sollen.
Das BVL sieht sich dagegen im Recht. Die Ausgleichsflächen sollten nämlich erst nach einer Vorbereitungszeit geschaffen werden müssen – ab Januar 2020 -, die Zulassung gilt aber nur bis Ende 2019. Dagegen ist man im Umweltministerium der Meinung, die Anwendungsbestimmung hätte unabhängig vom Zulassungszeitraum berücksichtigt werden müssen.
Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einzuschränken, “mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden”. Was genau das heißt, ist zwischen Klöckner und Schulze umstritten. Glyphosat steht im Verdacht, krebserregend zu sein, und schädigt die Artenvielfalt.
beb/dpa
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