Was der Klimawandel mit der aktuellen Hitze zu tun hat
Deutschland ächzt unter hohen Temperaturen, viele Regionen messen Spitzenwerte. Wie viel Klimawandel in der Hitzewelle steckt, beschäftigt auch die Wissenschaft – die Antwort liefert möglicherweise der hohe Norden.
Hoch am Himmel über Deutschland gibt es gerade eine neue Autobahn – wenn man das so nennen will. Und sie ist verantwortlich für die derzeitige Hitze. Entstanden ist sie, weil über dem Atlantik das Tiefdruckgebiet “Nasir” liegt und Luft aus der Sahara-Region ansaugt. Weil sich über der Ostsee außerdem das Hoch “Ulla” festgesetzt hat und für den nötigen Druckunterschied sorgt, kommt diese heiße Luft über Spanien und das Mittelmeer nach Norden.
Die Luft aus dem Süden bringt Extremtemperaturen, die sogar bestehende Rekorde brechen könnten. (Lesen Sie hier die Entwicklungen im Newsblog.) Nach dem heißen und trockenen Sommer 2018 legt sich damit innerhalb kürzester Zeit zum zweiten Mal eine brütende Hitze über das Land. Ein Zusammenhang der hohen Temperaturen mit der Erderwärmung scheint da auf der Hand zu liegen. Doch einzelne Ereignisse auf den Klimawandel zurückzuführen, ist problematisch.
Klimaforscher Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung verweist allerdings auf einen Trend, der die Zunahme von Extremtemperaturen von mehr als 30 Grad in den vergangenen Jahrzehnten belegt. Und diese Häufung könne man durchaus mit dem Klimawandel begründen, so der Forscher.
“Das ist ein deutliches Zeichen, dass die menschengemachte Erderwärmung das Wetter beeinflusst”, so Latif. Mitte des 20. Jahrhunderts habe es im Schnitt rund vier Tage im Jahr gegeben, an denen die Temperaturen in Deutschland über 30 Grad kletterten, sagt Latif mit Verweis auf Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Im Jahr 2018 seien mehr als 20 solcher Tage verzeichnet worden.
Bei der Frage, welche Bedeutung die Erderwärmung bei einzelnen Extremwetterereignissen hat, können sogenannte Attributionsstudien helfen. Dabei laufen auf einem Computer Hunderte Male hintereinander die Berechnungen eines regionalen Klimamodells ab. Bei einem Teil der Durchläufe werden Daten aus einen Sommer der vorindustriellen Zeit verwendet, also vor dem Jahr 1850. Im anderen Teil der Rechnungen kommen die Werte aus dem aktuellen Sommer zum Einsatz. In beiden Fällen werde berechnet, wie wahrscheinlich jeweils eine Hitzewelle ist, sagt Meteorologe Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
“Damit ist eine Zuschreibung zum Klimawandel gegeben”
Dabei käme man etwa für die Hitzewelle in Nordeuropa 2018 zum Ergebnis, dass diese im aktuellen Klima doppelt so wahrscheinlich auftrete wie in vorindustrieller Zeit. “Damit ist eine Zuschreibung zum Klimawandel gegeben”, so Fink. Routine sind solche Studien über die Wahrscheinlichkeit von Einzelereignissen in Deutschland aber noch nicht. Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagt: “Die Fähigkeit von Klimamodellen, solche Ereignisse korrekt abzubilden, hat seine Grenzen.”
Klar ist aber der Langfristtrend: “In Deutschland haben wir einen Temperaturanstieg von ungefähr 1,5 Grad der Jahresmitteltemperatur seit 1881”, bilanziert Klimaexperte Christian Franzke von der Universität Hamburg. Und global gesehen waren die vergangenen vier Jahre laut Weltwetterorganisation (WMO) die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Wärmerekorde seien “ein klares Anzeichen für den anhaltenden, langfristigen Klimawandel”.
“Wetterdaten zeigen, dass Hitzewellen und andere Wetterextreme in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen haben”, sagt auch Rahmstorf. Das heißt natürlich nicht, dass es jedes Jahr nun auch mehr heiße Tage gibt. Das Wetter ist ein chaotischer Prozess, die Langfristentwicklung kann von Ausreißern nach oben und unten begleitet sein.
Es wird nicht nur einfach wärmer
Doch Rahmstorf stellt klar, dass die Zunahme der Hitzeextreme genau dem entspreche, “was von der Klimawissenschaft als eine Folge der globalen Erwärmung vorhersagt wurde, die verursacht wird durch den steigenden Ausstoß von Treibhausgasen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas”.
Wie aber nimmt die Klimaerwärmung Einfluss auf das Wetter? Es werde nicht einfach nur wärmer, sagt Rahmstorf. “Es gibt tatsächlich Hinweise darauf, dass sich auch die Zirkulation in der Atmosphäre verändert.” Die Sommerzirkulation, die eigentlich immer vom Atlantik her neue Tiefdruckgebiete bringe, sei in den vergangenen Jahrzehnten langsamer geworden.
“Dies begünstigt das Entstehen von heißen und trockenen Bedingungen auf dem Kontinent – aus ein paar warmen sonnigen Tagen können so gefährliche Hitzewellen werden”, so Dim Coumou von der Universität Amsterdam, der auch am PIK arbeitet.
Ob die Verlangsamung menschengemacht sei, darüber werde unter Kollegen noch gestritten, sagt Klimaforscher Latif.
Eine mögliche Erklärung ginge so: In der Arktis steigen die Temperaturen im Zuge der Erderwärmung stärker an als in anderen Teilen des Planeten. Dadurch sinkt die Temperaturdifferenz zwischen den hohen Breiten und der Region um den Äquator.
Diese Differenz gilt aber bisher als ein entscheidender Motor für den sogenannten Jetstream. Dieses Windband weht im Bereich der Nordhalbkugel in sieben bis zwölf Kilometer Höhe von West nach Ost, teils mit bis zu 500 Kilometern in der Stunde. Unter bestimmten Bedingungen kann sich aber ein feststehendes Wellenmuster im Verlauf der Windströmung einstellen. (Mehr darüber lesen Sie hier.) Und das kann am Boden zum Problem werden, weil dann im Sommer Hitzewellen und im Winter lange Kältephasen entstehen können.
Im Zuge der Erderwärmung, so legen es jedenfalls Studien nahe, scheint das Muster der feststehenden Wellen im Jetstream nun häufiger aufzutreten – und damit auch extreme Wetterlagen.
Zusammengefasst: Einzelne Wetterereignisse wie die aktuelle Hitzewelle direkt auf den Klimawandel zurückzuführen, ist problematisch. Es gibt allerdings in Deutschland den Langfristtrend eines Temperaturanstiegs. Und sogenannte Attributionsstudien belegen mit Computermodellen, dass Hitzewellen im aktuellen Klima etwa doppelt so wahrscheinlich sind wie in vorindustrieller Zeit. Eine mögliche Erklärung könnten Veränderungen beim Jetstream sein.
chs/dpa
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