“Unser Wald ist massiv geschädigt”
Der Wald in Deutschland ist in einem schlechten Zustand. 100.000 Hektar wurden seit 2018 von Stürmen, Dürren und Schädlingen beschädigt. Was will Agrarministerin Klöckner dem entgegensetzen?
Wald mit Borkenkäfer-Befall in der Sächsischen Schweiz. Wegen der Dürresommer 2018 und 2019 fehlen laut Experten rund 200 Liter Wasser pro Quadratmeter – das stresst die Bäume, Schädlinge breiten sich aus
Dem deutschen Wald geht es schlecht, sehr schlecht. Weil es öfter und heftiger stürmt, weniger regnet und sich immer mehr Schädlinge ausbreiten, ist der Wald gestresst. Massive Waldschäden von der Ostsee bis zum Bodensee seien die Folge, berichtet der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Die Klimakrise macht den Baumbeständen zu schaffen: Selbst Buchen, die eigentlich als robust gelten, verlieren vielerorts ihr Laub und drohen abzusterben. Sowohl alte als auch junge Bäume seien betroffen, sagt Ulrich Dohle, Förster und Vorsitzender des Bundes Deutscher Forstleute (BDF). “Das zeigt, wie dramatisch die Entwicklung ist und dass der Klimawandel selbst für naturnahe Wälder eine Herausforderung ist”
Umweltschützer und Förster fühlen sich an das Waldsterben in den Achtzigern erinnert: Damals warfen Bäume Blätter und Nadeln ab und starben. Als Ursache galt unter anderem saurer Regen, der den pH-Wert im Boden veränderte. Nun wünschen sich die unionsgeführten Forstressorts der Länder einen Masterplan gegen den neuen Waldverlust.
Anfang Juli forderte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) das “Mehrere-Millionen-Bäume-Programm”, mit dem die Wälder aufgeforstet werden sollen, was geschätzt mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten würde. Geld, das aus dem Energie- und Klimafonds fließen soll.
Deutschland ist etwa zu einem Drittel bewaldet. 11,4 Millionen Hektar Wald gibt es, gut die Hälfte ist laut aktueller Bundeswaldinventur Privateigentum. Der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) zufolge fehlen wegen der Dürresommer 2018 und 2019 im Schnitt mehr als 200 Liter pro Quadratmeter Regen im Jahr. Vor allem die Wälder im Osten würden vertrocknen, hieß es.
Der Bund Deutscher Forstleute (BDF) sieht die Forste gar vor dem Kollaps. “Der Wald ist der Klimaretter schlechthin, aber aktuell ist der Wald selbst Opfer der Klimakatastrophe”, heißt es dort (mehr dazu lesen Sie hier).
Am Donnerstag kommt Klöckner mit Vertretern aus Sachsen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern in Moritzburg bei Dresden zusammen. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer will dabei sein. Gemeinsam wollen sie ein arg in Mitleidenschaft gezogenes Waldstück in der Region besichtigen.

Wald im Biosphärenreservat Rhön: Monokulturen aus Nadelbäumen sind besonders Anfällig für Stürme und Dürre
100.000 Hektar Wald von Stürmen, Dürren und Schädlingen beschädigt
Klöckner will zudem für September einen nationalen Waldgipfel einberufen. “Unser Wald ist massiv geschädigt”, sagte sie der “Rheinischen Post” am Donnerstag. “Nur mit vereinten Kräften stemmen wir die Mammutaufgabe, die vor uns liegt, um unseren Wald zu retten – nicht nur für uns, sondern für die nachfolgenden Generationen.”
Noch im August werde sie ein Fachgespräch mit Vertretern der Wald- und Holzwirtschaft sowie mit Umweltverbänden und der Wissenschaft führen. “Es geht nicht nur um Investitionen in Millionenhöhe für Aufforstungen. Sondern auch um die langfristige Anpassung der Wälder an den Klimawandel”, so Klöckner.
“Die schlechten Nachrichten aus dem Wald reißen nicht ab”, sagt Sachsens Forstminister Thomas Schmidt (CDU). “Jeden Tag erreichen uns neue Hiobsbotschaften. Deshalb müssen wir dringend handeln.”
Seinen Angaben zufolge sind seit 2018 bundesweit mehr als 100.000 Hektar Wald von Stürmen, Dürren und Schädlingen geschädigt worden. Die SDW spricht sogar von 120.000 Hektar, die bereits abgestorben sind. Sterben würden demnach vor allem Fichten, aber auch Kiefern, Buchen und Eichen.
Mischwälder statt Monokulturen
Mit der “Moritzburger Erklärung”, die nun erarbeitet werden soll, wollen die beteiligten Politiker einen Masterplan aufstellen. Er soll die Frage beantworten, wie der Wald für die Zukunft gewappnet werden kann. Ein Lösungsansatz könnten robustere Mischwälder statt Monokulturen sein. Letztere sind in weiten Teilen der Bundesrepublik zu finden.
So auch im Nationalpark Harz in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Hauptbaumart in dem 25.000 Hektar großen Schutzgebiet wäre von Natur aus die Rotbuche, doch es gibt sie kaum. “Knapp zwei Drittel der Fläche sind potenzielle Laubbaumstandorte”, sagt Parksprecher Friedhart Knolle. Aktuell gibt es aber nur auf etwa 20 Prozent der Fläche Laubwald, alles andere sind schädlingsanfällige Fichtenwälder.
Nun werden nach und nach junge Buchen, junger Bergahorn und junge Erlen gepflanzt. Sie brauchen aber Zeit zum Wachsen.
jme/dpa
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