Quellen:
https://www.hna.de/welt/valsartan-rueckruf-achtung-bei-mitteln-gegen-bluthochdruck-onl-10018038.html
altermedzentrum.com
Es ist einer der größten Medizinskandale der Geschichte: In Europa und den USA werden Medikamente zurückgerufen, die den Blutdrucksenker Valsartan enthalten. Zuvor wurde bekannt, dass etliche Chargen mutmaßlich mit Nitrosodimethylamin (NDMA) belastet sind. NDMA gilt als krebserregend und wirkt in hohen Dosen tödlich für den Menschen. Grund für die Verunreinigung ist eine neuartige Synthesemethode bei einem großen chinesischen Hersteller, der im Auftrag internationaler Pharmafirmen produziert.
Da die Umstellung auf die neue Methode bereits im Jahr 2012 erfolgte, ist es wahrscheinlich, dass sechs Jahre lang verunreinigtes Valsartan über europäische und amerikanische Apothekentische ging.
Nun steht die Frage im Raum, wie das so lange unbemerkt bleiben konnte. Vieles spricht für ein mangelndes Risikobewusstsein, Unkenntnis über die Ursachen der Verunreinigung und grundsätzliche Schwierigkeiten, NDMA in Routinetests nachzuweisen.
„Es gibt verschiedene Synthesewege für Valsartan, und bei ein- und demselben Weg können unterschiedlichen Lösungsmittel und Reagenzien einer Familie eingesetzt werden. Die Bildung der Verunreinigung hängt dann von den spezifischen Reaktionsbedingungen ab“, so ein Sprecher des European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare (EDQM). Im Labor gefunden werden könnten nur Stoffe, nach denen auch gesucht werde. Die Verunreinigung mit NDMA sei weder zu erwarten gewesen noch mit den verwendeten Testmethoden detektierbar.
Trotz Rückruf haben die Arzneimittelinstitute der betroffenen Länder Patienten aufgefordert, Valsartan-haltige Medikamente nicht ohne ärztliche Rücksprache abzusetzen. Das Gesundheitsrisiko beim Absetzen sei höher als das potenzielle Risiko der Verunreinigung.
Mylan dura war bisher einer der wenigen Hersteller, die vom Rückruf verschont geblieben waren. Das ändert sich nun: Die nationalen Behören in der EU haben bereits begonnen, betroffene Chargen zurückzurufen. Es werden noch Tests durchgeführt, um das genaue Ausmaß zu überprüfen. Bisher ist für Deutschland noch kein Valsartan-Mylan-Rückruf veröffentlicht worden.
Ein unmittelbares Risiko für Patienten besteht nicht. Wie bei den bisherigen Rückrufen rät die Apotheker-Zeitung Patienten, ihre Medikamente nicht eigenmächtig abzusetzen.
Im September rief das Unternehmen Stada mehrere Medikamentenchargen zurück, die Valsartan beinhalten, das teilte die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker mit. Der Grund: Die Medikamente sind wie die lange Liste an Präparaten, die im Juli zurückgerufen wurden, mit NDMA verunreinigt.
Laut Unternehmen liegt die Verunreinigung deutlich unter der der bisher zurückgerufenen Chargen, sehr nah an der Grenze daran, welche Verunreinigung überhaupt gemessen werden kann. Retouren erfolgen über die Apotheken mit Angabe der Kundennummer per Fax, der Dienstleister hole die Medikamente dann ab. Ein Rückruf auf Kundenebene erfolgt nicht.
Die Firma Zhejiang Tianyu darf aktuell kein Valsartan mehr für die EU produzieren, das meldet die Deutsche Apotheker-Zeitung. Ihr Zertifikat für die Herstellung wurde ausgesetzt. Im August war bekannt worden, dass das Valsartan des chinesischen Wirkstoffherstellers ebenfalls von der Verunreinigung betroffen ist. Im Zuge dessen rief die Firma Aurobindo ihren Blutdrucksenker der einen Charge zurück, die in Deutschland vertrieben wird: HCT Aurobindo 320/25 mg mit der Chargenbezeichnung VZM18001-23B.
Im Valsartan, das von der Firma Zhejiang Tianyu hergestellt wurde, war der krebserregende Stoff NDMA festgestellt worden – allerdings in deutlich geringerem Maße als bei dem chinesischen Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceuticals, der die große Rückrufwelle im Juli ausgelöst hatte.
Mittlerweile steht fest, dass das Mittel eine weitere unerwünschte Substanz enthält: N-Nitrosodiethylamin (NDEA). Der ebenfalls zu den Nitrosaminen gehörende Stoff gilt laut Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als wahrscheinlich krebserregend.
Unterdessen geht die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) nur von einem geringen Krebsrisiko für Patienten aus. Wer ein betroffenes Präparat in der höchsten Dosierung von 320 Milligramm täglich von Juli 2012 bis Juli 2018 genommen habe, habe dadurch ein Lebenszeit-Krebsrisiko von etwa 1 zu 5000, teilte die Londoner Behörde auf ihrer Internetseite mit. Bei geringerer Dosierung oder kürzerer Einnahme sei die Gefährdung noch kleiner.
Seit Juli wurden bereits zahlreiche valsartanhaltige Medikamente gegen Bluthochdruck europaweit zurückgerufen. Betroffen waren Mittel, die den Stoff Valsartan des chinesischen Herstellers Zhejiang Huahai Pharmaceuticals enthalten. Produktionsbedingt sind sie möglicherweise schon seit Jahren verunreinigt, das meldet die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Demnach könnte die Verunreinigung durch einen Wechsel im Herstellungsprozess im Juli 2012 hervorgerufen worden sein.
Verunreinigt sind sie mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA), das hat das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker nachgewiesen. Diesen Stoff haben sowohl die EU als auch die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO als wahrscheinlich krebserregend eingestuft.
Ende Juli rief außerdem das Unternehmen Hormosan ein weiteres Sartan zurück: Irbesartan-Hormosan. Laut der Deutschen Apotheker-Zeitung kann die Firma nicht ausschließen, dass das Medikament ebenfalls verunreinigt ist.
Bisher ist Irbesartan von Hormosan das einzige Sartan neben Valsartan, das zurückgerufen wird. Sollten sich andere Unternehmen anschließen, könnte sich der Engpass in der Versorgung mit Sartan weiter verschärfen: Viele Patienten wurden bereits auf Irbesartan als Alternative umgestellt.
Laut der Deutschen Apotheker-Zeitung wurden diese Medikamente zurückgerufen:
Präparat | Wirkstärke | Packungsgröße |
1 A Pharma | 40, 80, 160, 320 | 28, 56, 98 |
AAA | 40, 80, 160, 320 | Alle |
Abz | 40, 80, 120, 160, 320 | Alle |
HCT Aurobindo | 320, 25 | |
Actavis | 80, 320 | 80 mg: 28320 mg: 28, 56 und 98 |
Al | 40, 80, 160, 320 | 40 mg: 2880, 160 und 320 mg: 98 |
CT | 120, 160 | Alle |
Dexcel | 80, 160 | 98 |
Hennig | 40, 80, 160, 320 | Alle |
Heumann | 40, 80, 160 und 320 | 28, 56 und 98 |
Hexal | 40, 80, 160, 320 | 28, 56, 98 |
Puren | 40, 80, 160, 320 | Alle |
Ratiopharm | 40, 80, 120, 160, 320 | Alle |
Stada | 40, 80, 160, 320 | 28,56, 98 |
Valsargamma | 80 | Alle |
Zentiva | 40, 80, 160, 320 | Alle |
Außerdem sind diese Präparate mit Valsartan plus Hydrochlorothiazid betroffen:
Präparat | Wirkstärke | Packungsgröße |
1 A Pharma | 80/12,5, 160/12,5, 160/25, 320/12,5 und320 /25 | 28, 56, 98 |
comp. Abz | 80/12,5, 160/12,5, 160/25, 320/12,5 und 320/25 | Alle |
Valsartan/HCT Al | 160/12,5, 160/25 und 320/25 | 98 |
comp Basic | 80 mg/12,5 mg, 160 /12,5 und 160/25 | 28, 56 und 98 |
comp.-CT | 80/12,5, 160/12,5, 160/25 und 320/25 | Alle |
Hennig plus HCT | HCT 80/12,5, 160/12,5, 160/25, 320/12,5 und 320 /25 | Alle |
Hexal comp | 80/12,5,160/12,5, 160/25, 320/12,5 und 320/25 | 28, 56, 98 |
Hormosan | 80/12,5, 160/12,5 und 160/25 | Alle |
comp. Puren | 80/12,5, 160/12,5, 160/25, 320/12,5 und 320/25 | Alle |
Ratiopharm comp. | 80/12,5, 160/12,5, 160/25, 320/12,5, und 320 /25 | Alle |
Valsartan/HCT Stada | 80/12,5, 160/12,5, 160/25,320/12,5 und 320 /25 | 28, 98 |
Zentiva comp. | 80/12,5, 160/12,5, 160/25, 320/12,5 und 320/25 | Alle |
Weitere Informationen zu Pharmazentralnummern und Chargenbezeichnungen der zurückgerufenen Produkte finden Sie bei der Deutschen Apotheker-Zeitung.
Der Rückruf ging schleppend vonstatten und schon jetzt wird von Lieferengpässen berichtet – die Chefredakteurin der Deutschen Apotheker-Zeitung Dr. Doris Uhl spricht sogar vom “Valsartan-Desaster“. Und sie warnt: “Alles könnte noch viel schlimmer kommen.” Zahlreiche Fragen seien aktuell unbeantwortet und die Apotheker, die Patienten informieren müssten, tappten oft selbst im Dunkeln. So würden sie nicht darüber informiert, wie hoch die Konzentration des krebserregenden Stoffes im verunreinigten Valsartan überhaupt ist. Man wisse nicht, wie die Verunreinigung genau passieren konnte, warum sie nicht früher entdeckt wurde und ob nicht auch andere Wirkstoffe des Herstellers betroffen sein könnten.
Auch sei noch unklar, wie sich Krankenkassen verhalten werden, wenn günstigere Generika nicht mehr vorrätig seien und man auf viel teurere Produkte, etwa von Novartis, zurückgreifen müsse. “Fakt ist, dass unsere Abhängigkeit von immer weniger und gleichzeitig immer größer werdenden Wirkstoffherstellern die sichere Arzneimittelversorgung massiv gefährdet”, mahnt sie.
Quellen:
https://www.hna.de/welt/valsartan-rueckruf-achtung-bei-mitteln-gegen-bluthochdruck-onl-10018038.html
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