Prognosemodell für Vulkanausbrüche – Wissen, wo es kracht
Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, die Orte künftiger Vulkanausbrüche vorhersagen zu können, um Gefahren für Menschen zu reduzieren. Ein neues Modell aus Potsdam stößt bei Experten auf Begeisterung.
Schwefeliger Dunst, heißer Boden und Thermalquellen, dazu immer wieder Krater: Wer die Phlegräischen Felder Süditaliens besucht, ahnt das Brodeln des Supervulkans unter seinen Füßen.
Bereits die alten Römer glaubten, dass hier der Feuergott Vulcanus haust. Beim historisch letzten, eher kleineren Ausbruch von 1538, entstand der Monte Nuovo, der neue Berg, er ist mehr als 130 Meter hoch. Heute sind seine Hänge mit Häusern bebaut, obwohl das Risiko für einen neuen Ausbruch zu den weltweit höchsten zählt. Kaum 20 Kilometer entfernt liegt die Metropolregion von Neapel. Würde Vulcanus wieder erwachen, wären mehr als 1,5 Millionen Menschen in Gefahr.
Der Vulkan Ätna auf Sizilien: “Wir berechnen die Wege des geringsten Widerstands für aufsteigendes Magma”
Explosive Ausbrüche
Wo genau in Zukunft glühende Magma zur Oberfläche durchbricht, beschäftigt Vulkanforscher schon lange. Sie wollen das Risiko für gefährdete Dörfer und Städte minimieren. Nun hat ein internationales Team um Eleonora Rivalta vom Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam eine neue Methode vorgestellt, die helfen soll, solche Prognosen zu verbessern. Ihre Studie erscheint im Fachblatt “Science Advances”.
Bisherige Prognosen basierten lediglich auf Statistiken über die Orte älterer Eruptionen, ihre Vorhersagekraft gilt als mäßig. Die neue Methode verbindet Physik mit Statistik: “Wir berechnen die Wege des geringsten Widerstands für aufsteigendes Magma und stimmen dann das Modell auf der Grundlage von Statistiken ab”, erklärt Rivalta.
Wenn die unterirdische Kammer, die einen aktiven Feuerberg mit Magma speiste, leer ist und einstürzt, sind auch die Veränderungen an der Oberfläche drastisch: Der Boden sinkt ein, und es entsteht eine kesselförmige Senke, eine sogenannte Caldera. Insbesondere bei Supervulkanen kann diese riesige Ausmaße haben, so misst die Caldera des Toba-Vulkans in Indonesien etwa 100 mal 30 Kilometer. Nach ihrer Bildung können sich später neue Schlote in der Caldera oder an deren Rand öffnen.
Für die Forscher ist es schwierig, aus den zufällig verstreuten Schloten Prognosekarten für die Orte künftiger Eruptionen zu erstellen. “In der Vulkanforschung geht man oft davon aus, dass sich der Vulkan künftig weiter so verhält wie in der Vergangenheit”, sagt Rivalta. “Das Problem ist aber, dass oft nur wenige Dutzend Schlote auf der Vulkanoberfläche sichtbar sind.” Die dünne Datenlage führe zwangsläufig zu groben Karten mit großen Unsicherheiten.
Erfolgreicher Test
Deshalb hat die Geophysikerin zusammen mit Geologen und Statistikern die physikalischen Eigenschaften der Vulkane genutzt, um die Prognosen zu verbessern. “Wir analysieren das Spannungsfeld, dass sich unter dem Vulkan ausbildet und steuert, wie sich die Magma unterirdisch ausbreitet. Das kombinieren wir mit einem statistischen Verfahren und dem Wissen über die Struktur und Geschichte des Vulkans. Dann stimmen wir die Parameter des Modells so lange ab, bis sie mit früheren eruptiven Mustern übereinstimmen”, erklärt Rivalta.
Was kann das komplizierte Verfahren? Die Forscher haben es am Beispiel der Phlegräischen Felder getestet. Und siehe da: Sie konnten nachträglich die Stelle des Ausbruchs von 1538 richtig voraussagen. Sie prognostizierten außerdem neue Ausbrüche in einem Gürtel zwischen 2,3 und 4,2 Kilometer Abstand zum Zentrum der Caldera – mittendrin liegt der Monte Nuovo.
Laut Rivalta stehen nun Tests mit anderen Vulkanen an. Darauf ist auch Michael Poland vom Yellowstone Volcano Observatory gespannt. Bereits jetzt bewertet er die Publikation als einen beträchtlichen Fortschritt bei der Vorhersage von Vulkanausbrüchen. Die neue Methode könne “von außerordentlichem Wert insbesondere dort sein, wo Vulkanschlote über eine große Fläche verteilt sind, beispielsweise im Südwesten der USA und in Neuseeland.”
Oder bei den Phlegräischen Feldern. Wann es dort zu neuen Eruptionen kommen wird, weiß Rivaltas Modell allerdings nicht, dazu wurde es aber schließlich auch nicht konstruiert. Wenn sich das Wo nun besser voraussagen lässt, fehlt nur noch ein neues Modell für das Wann.
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