Keine Pestizide auf verpachteten Flächen – Immer mehr Kommunen verbieten Glyphosat
Parks, Wege, Äcker: Städte und Gemeinden untersagen auf ihren Flächen zunehmend den Einsatz von Glyphosat. Sie erproben Alternativen zu dem Unkrautvernichter.
Viele deutsche Städte verzichten schon seit Jahren auf Glyphosat zur Unkrautvernichtung auf ihren Grünflächen. Anders sah es lange bei den von Kommunen verpachteten und landwirtschaftlich genutzten Flächen aus. Aber das ändert sich: Immer mehr Städte und Gemeinden nehmen das Verbot auch in ihre Verträge mit Landwirten auf, die stadteigene Äcker bewirtschaften. Sie zwingen die Pächter dadurch, Alternativen zu verwenden.
Um Glyphosat gibt es spätestens seit 2015 heftige Diskussionen. Damals hatte die IARC, ein Gremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Glyphosat als “wahrscheinlich krebserregend” eingestuft. Die IARC untersucht allerdings nicht, ob ein Mittel bei der Anwendung im Alltag Krebs erzeugt, sondern ob es grundsätzlich dazu in der Lage ist. So stuft die IARC auch den Friseurberuf und den Konsum heißer Getränke als “wahrscheinlich krebserregend” ein.
Behörden, die die Risiken der alltäglichen Anwendung beurteilen, sehen kein Krebsrisiko – darunter die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR), wie die IARC ein Gremium der WHO.
2017 verlängerten die EU-Staaten trotz der Bedenken die Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre bis Ende 2022. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte am Wochenende, sie erwarte nicht, dass die Zulassung darüber hinaus erteilt wird. Die Große Koalition in Berlin strebt einen schrittweisen Ausstieg spätestens bis 2023 an. Österreich hat als erstes EU-Land den Einsatz verboten. Umstritten ist, ob das Verbot mit EU-Recht vereinbar ist.
Kritiker des Verbots warnen zudem, dass Landwirte andere Herbizide einsetzen könnten, die nicht alle Unkräuter mit einer Behandlung abtöten und im Gegensatz zu Glyphosat gefährlich für Insekten sein könnten. (Mehr dazu lesen Sie hier). Zudem sind viele Glyphosat-Alternativen noch nicht ausreichend erprobt. Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer will in den kommenden zehn Jahren rund fünf Milliarden Euro in die Entwicklung zusätzlicher Methoden zur Unkrautbekämpfung stecken.
Beim Umgang der Kommunen mit Glyphosat ist zwischen städtischen Grünflächen – sogenanntem Nichtkulturland – und verpachteten Flächen zu unterscheiden. Auf Grünflächen wenden die meisten Kommunen Glyphosat längst nicht mehr an. Beim Nichtkulturland – Straßen, Wege, Gleisanlagen, Betriebsflächen oder Hafengelände – ist für einen Glyphosat-Einsatz eine ausdrückliche Genehmigung nötig. Diese würde von den Pflanzenschutzdiensten auf Landesebene aber durchaus noch regelmäßig erteilt, sagt Corinna Hölzel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
Eine bundesweite Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zeigt, dass immer weniger Städte Glyphosat einsetzen. Der Überblick:
- Frankfurt am Main versprüht seit Anfang der Neunzigerjahre kein Glyphosat mehr, stattdessen werden Flächen gebürstet oder gehackt. Auf Pachtflächen gibt es aber kein generelles Verbot.
- In Stuttgart wird Glyphosat in Parks, Grünanlagen und auf Friedhöfen seit 2016 nicht mehr verwendet. “Unsere Erfahrungen zeigen: Der Verzicht auf Glyphosat scheint möglich. Voraussetzung ist die Bereitschaft, mehr Zeit und Geld zu investieren”, heißt es aus Stuttgart.
- Saarbrücken verzichtet nach eigenen Angaben sogar schon seit den Achtzigerjahren auf den Einsatz von Herbiziden. Hier wird nach einem Stadtratsbeschluss von 2016 in neuen Pachtverträgen der Einsatz glyphosathaltiger Mittel auf Ackerbauflächen, Wiesen, Weiden und sonstigen Grünflächen untersagt. Auch für fast alle Bestandsverträge sei ein Verbot vereinbart worden.
- Chemnitz rückt Unkraut mit heißem Wasser und Dampf zu Leibe. Bei schwer erreichbaren Flächen komme das Herbizid Finalsan zum Einsatz. Der Stadtrat beschloss im März 2018, Herbizide bei allen neuen oder zu verlängernden Pachtverträgen für landwirtschaftliche Flächen zu untersagen – bei verlängerten Verträgen gilt eine Übergangsfrist bis Ende 2022. Nachgedacht wird über finanzielle Anreize für einen früheren freiwilligen Verzicht.
- Wie unterschiedlich der Umgang mit Pachtflächen allein in einem Bundesland sein kann, zeigt Nordrhein-Westfalen: Düsseldorf nimmt mittlerweile beim Neuabschluss von Pachtverträgen den Verzicht auf Glyphosat als Bestandteil auf. Bei laufenden Verträgen werde mit den Nutzern über eine Änderung gesprochen, bei 70 Prozent der Verträge sei das geschehen. “Allerdings ist davon auszugehen, dass auf landwirtschaftlich-erwerbsgärtnerisch genutzten Flächen privater Eigentümer im Stadtgebiet Glyphosat auch weiterhin eingesetzt wird.”
- Siegen hat den Pestizideinsatz auf verpachteten Äckern oder Feldern schon Mitte der Neunzigerjahre vertraglich untersagt. Auch Dortmund betont, selbst auf verpachtetem städtischen Grund komme kein Glyphosat zum Einsatz. In Köln sorgt ein Beschluss des Umweltausschusses von Ende Juni 2019 dafür, dass bei der Neuverpachtung diejenigen bevorzugt werden, die sich unter anderem zu einem Glyphosat-Verzicht verpflichten. Ziel ist auch hier die Änderung bestehender Verträge.
- Der Mainzer Oberbürgermeister und Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen, Michael Ebling (SPD), sagte, die Diskussion sollte sich nicht nur auf einen Stoff beziehungsweise eine Stoffgruppe konzentrieren. In seiner Heimat gibt es für Pachtflächen noch kein Glyphosat-Verbot. In Grünanlagen wird seit 2012 darauf verzichtet, wie Umweltdezernentin Katrin Eder von den Grünen sagte. Das sei etwa bei den empfindlichen Rosen im zentralen Rosengarten nicht einfach gewesen. Mittlerweile werde dort Milch gegen Blattläuse gespritzt. Die werde über Nacht sauer und töte die Tiere.
Allen Bürgern kann es die Kommune aber offenbar nicht recht machen. Wenn wegen des Verzichts auf Herbizide etwas Grün sprieße, fänden das manche ungepflegt, sagte Eder. “Das hat uns viele böse Briefe eingebracht.”
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht Verbote auf kommunaler Ebene kritisch. “In Deutschland zugelassene und zulässige Pflanzenschutzmittel müssen gemäß der guten fachlichen Praxis auch eingesetzt werden können”, sagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. “Eine Einschränkung bedeutet bei bestehenden Pachtverträgen einen unzulässigen Eingriff.” Bei Neuverpachtungen würden solche Klauseln den Nutzwert der Fläche einschränken, sodass sich der Pachterlös entsprechend reduziere.
Zusammengefasst: Die Bundesregierung will ab 2023 auf Glyphosat verzichten. Eine Abfrage bei Städten und Kommunen zeigt: Viele verbieten bereits seit Jahren den Einsatz des Unkrautvernichters in eigenen Parks, auf Wegen und Äckern. Stattdessen werden die Flächen beispielsweise gehackt, oder es wird Milch gegen Blattläuse gespritzt. Ob solche Alternativen den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft im großen Stil ersetzen können, bleibt fraglich. Experten warnen, statt Glyphosat könnten fortan andere Herbizide verwendet werden, die öfter ausgebracht werden müssen und schädlicher für Insekten sind.
koe/dpa
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