Ist Schlafen große Wäsche fürs Gehirn?
Was beim Schlafen im Gehirn passiert, haben US-Forscher für eine Studie untersucht. Sie entdeckten einen bisher unbekannten Mechanismus.
Für die Versuchsteilnehmer war die Studie eine Qual: Mit Kappen auf dem Kopf, die ihre Gehirnströme messen, lagen sie in einem lärmenden MRT-Gerät und sollten dabei auch noch einschlafen. “Wir haben all dieses fantastische Equipment und komplizierte Technik”, sagt Neurowissenschaftlerin Laura Lewis von der Boston University, die die Probanden untersucht hat. “Aber das größte Problem ist, dass die Versuchsteilnehmer nicht einschlafen können, weil sie in einer lauten metallenen Röhre liegen.”
Doch irgendwann nickten die Probanden tatsächlich weg und machten dadurch eine erstaunliche Entdeckung möglich: Das Einschlafen setzte einen bisher unbekannten Prozess in Gang, berichten Lewis und Kollegen im Fachblatt “Science”. Die Aktivität der Nervenzellen ließ nach, Blut floss aus dem Kopf heraus, dann spülte Gehirnflüssigkeit, auch Liquor genannt, in pulsierenden Wellen Teile des Gehirns. Es bekam im Schlaf eine Gehirnwäsche. Das Ganze dauert nur wenige Sekunden.
Die reinigende Wirkung des Schlafs
“Wir wussten, dass elektrische Wellen die Aktivität von Neuronen anzeigen, aber uns war nicht klar, dass es auch Wellen in der Gehirnflüssigkeit gibt”, sagt Lewis. Was genau dabei im Gehirn passiert, können die Forscher noch nicht sagen.
Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Neuronen im Ruhezustand weniger Sauerstoff benötigen und deshalb Blut aus dem Kopf fließt. Wenn das Blut austritt, sinkt der Druck im Gehirn und Liquor wird angesogen, um das Gefälle auszugleichen. “Noch ist das aber nur eine Vermutung”, betont Lewis.
Aus vorherigen Studien ist bekannt, dass Hirnflüssigkeit toxische Eiweiße aus dem Gehirn spülen kann, die der Gedächtnisleistung schaden können. Die Forscher hoffen deshalb, dass der nun entdeckte Prozess neue Erkenntnisse über die Alterung und neurologische Erkrankungen liefern kann, die im Zusammenhang mit Schlafstörungen stehen.
“Die Studie ist aufregend, weil sie neuronale Aktivität, Blutfluss und die Reinigung des Gehirns verbindet”, sagt Neurowissenschaftlerin Maiken Nedergaard von der University of Rochester in New York, die nicht an der Studie beteiligt war. Bisher gingen die meisten Forscher davon aus, dass diese Prozesse nicht zusammenhängen.
Die Autoren der aktuellen Studie vermuten, dass die Aktivität der Neuronen nachlässt, wenn Menschen altern. Dadurch pulsiert auch weniger Flüssigkeit durch das Gehirn und mehr schädliche Proteine lagern sich an. Um ihren Verdacht zu prüfen, planen die Forscher weitere Studien mit älteren Teilnehmern. Die 13 Probanden der aktuellen Studie waren zwischen 23 und 33 Jahre alt. Die Zahl der Studienteilnehmer scheint klein, ist aber bei der Erforschung grundlegender Prozesse durchaus üblich.
Laut den Forschern ist es das erste Mal, dass überhaupt Gehirnflüssigkeit während des Schlafens bildlich dargestellt werden konnte. Das Erstaunliche: Die eintretende Flüssigkeit war ein sicherer Nachweis, dass die Probanden schlafen. “Das Ergebnis ist einschneidend”, sagt Lewis, “Wir hatten bisher keine Ahnung, dass im Schlaf überhaupt Liquor durch das Gehirn pulsiert und nun reicht ein Blick auf eine bestimmte Gehirnregion und wir wissen, ob jemand schläft oder nicht.”
koe
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