Gedenktafel und Trauerfeier – Island erklärt Gletscher offiziell für “tot”
Ein Opfer der Erderwärmung: Der Gletscher Okjökull ist nicht mehr, auf Island wurde seiner mit einer Feier und einer Gedenkplakette gedacht. In rund 130 Jahren hatte er 35 Meter an Eisdicke verloren.
Auf Island ist offiziell der erste Gletscher für “tot” erklärt worden. Der 700 Jahre alte Okjökull gilt formell nicht mehr als solcher, weil er mit nur noch 15 Metern Eisdicke zu leicht geworden ist, um sich vorwärtszuschieben.
An der Abschiedszeremonie nahmen am Sonntag rund hundert Menschen teil. Darunter befanden sich Regierungschefin Katrin Jakobsdottir, aber auch die frühere Uno-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson sowie zahlreiche isländische Forscher und Wissenschaftler der Rice University in den USA, die das Anbringen der Gedenktafel initiiert hatten.
Vor Ort wurde die Tafel mit der Überschrift “Ein Brief an die Zukunft” enthüllt. Darauf heißt es weiter: “In den nächsten 200 Jahren ist zu erwarten, dass alle unsere wichtigsten Gletscher den gleichen Weg gehen. Diese Gedenktafel dient dazu, anzuerkennen, dass wir wissen, was vor sich geht und was zu tun ist.” Auf der Tafel ist zudem die im Mai gemessene CO2-Konzentration von 415 Teilen pro Million (ppm) vermerkt. Dies war der höchste jemals gemessene Kohlendioxidgehalt in der Erdatmosphäre.
Einen Gletscher verschwinden zu sehen, sei eine “ziemlich visuelle” und spürbare Erfahrung, die ein Mensch verstehe, sagte Julien Weiss, Aerodynamik-Professor an der Technischen Universität Berlin, der Nachrichtenagentur AFP. Der Klimawandel sei sonst nicht auf diese Weise im alltäglichen Leben zu erleben, da er sich aus der Perspektive eines Menschen sehr langsam, aus erdgeschichtlicher Sicht allerdings sehr schnell vollziehe, so Weiss.
9000 Milliarden Tonnen Eis sind verloren gegangen
1890 erstreckte sich der Okjökull noch auf einer Fläche von 16 Quadratkilometern, seine Eisschicht war mehr als 50 Meter dick. Bereits 2014 erkannten ihm Wissenschaftler die Einstufung als Gletscher ab.
Schmelzende Gletscher verlieren weltweit nach neuen Schätzungen jährlich rund 335 Milliarden Tonnen Eis. Zu diesem Schluss kommen Forscher aus Zürich, die Satellitenmessungen und Beobachtungen vor Ort ausgewertet haben. Der führende Forscher Michael Zemp von der Universität Zürich sagte im April, die Welt verliere damit jährlich rund drei Mal das verbleibende Gletschervolumen der Europäischen Alpen. Die Gletscher hätten zwischen 1961 und 2016 mehr als 9000 Milliarden Tonnen Eis verloren.
Anfang des Monats hatte der Weltklimarat IPCC in einem Sonderbericht festgestellt, dass der weltweite Temperaturanstieg über den Landflächen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits bei 1,53 Grad liegt.
jok/dpa/AFP
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