Forscher zählen immer weniger Vögel in Deutschland

Forscher zählen immer weniger Vögel in Deutschland

 

 

 

 

 

Amsel, Drossel, Spatz und Star: In vielen Regionen Deutschlands sind die Bestandszahlen vieler Vogelarten eingebrochen. Der Westen und der Süden sind stärker betroffen als der Norden und der Osten.

 

 

 

Die Zahl klingt beunruhigend: Innerhalb von 30 Jahren ist die Menge an Vogelbrutpaaren am Bodensee um ein Viertel gesunken. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftlern der Ornithologischen Arbeitsgruppe Bodensee und des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie. 1980 lebten demnach am Bodensee noch rund 465.000 Brutpaare, 2012 nur noch 345.000.

Einst häufige Vogelarten wie Haussperling, Amsel oder Star seien besonders stark zurückgegangen, so Hans-Günther Bauer, einer der Autoren des Beitrags, der in der Zeitschrift “Vogelwelt” veröffentlicht ist. Die Entwicklung am Bodensee bestätige zugleich einen europaweiten Trend.

Auch in anderen Regionen Deutschlands brachen die Bestandszahlen vieler Arten laut dem Ornithologen ein. Allerdings nicht überall genauso dramatisch wie am Bodensee: “Die westlichen und südlichen Regionen sind stärker betroffen als die östlichen und nördlichen.” Das führt er auf die intensivere Landwirtschaft im Süden und Westen zurück.

 

 

Weiblicher Haussperling (Passer domesticus), auch als Spatz bekannt

 

 

Für die Autoren der Langzeituntersuchung gelten heutige Agrarlandschaften als vogelfeindliches Gebiet. “Das einstmals in der Agrarlandschaft häufige Rebhuhn zum Beispiel ist rund um den Bodensee inzwischen ausgestorben. Auch Raubwürger, Wiesenpieper und Steinkauz gibt es dort heute nicht mehr”, sagt Bauer.

 

 

 

 

Für die Datenerhebung hatten die Wissenschaftler sämtliche Vögel auf einer Fläche von rund 1100 Quadratkilometern rund um den Bodensee gezählt. Zuvor hatten die Ornithologen die Bestände erstmals 1980 bis 1981 und dann im Zehnjahresrhythmus erfasst.

Einer der Hauptgründe für den Rückgang sei der Verlust von Nahrung. So hätten am Bodensee 75 Prozent der Vogelbestände abgenommen, die sich von Fluginsekten ernähren. Bei Arten, die sich von Landwirbellosen ernähren, sind es 57 Prozent. “Dies bestätigt, was wir schon länger vermutet haben: Das durch den Menschen verursachte Insektensterben wirkt sich massiv auf unsere Vögel aus”, erklärt Bauer. Die Arbeitsgruppe fordert unter anderem drastische Beschränkungen von Insekten- und Unkrautvernichtungsmitteln.

Auch europaweit ging die Zahl der von Insekten lebenden Vögel in den vergangenen 25 Jahren deutlich zurück. Bachstelze, Wiesenpieper oder Rauchschwalbe – durchschnittlich um 13 Prozent sank die Zahl dieser Vögel laut einer im März im Fachjournal “Conservation Biology” veröffentlichten Studie. Und aus Daten des europaweiten Vogelmonitoringprogramms PECBMS geht hervor, dass die europäischen Bestände der Feld- und Wiesenvögel in Europa von Beginn der Zählungen ab 1980 bis 2016 um 57 Prozent zurückgegangen sind. Zu ihnen zählen Feldlerchen, Kiebitze oder Stare.

 

 

Viele Vögel fänden auf den von Menschen intensiv genutzten Flächen kaum mehr Lebensräume und Brutplätze, erläutert Bauer. Sie verschwänden auch aus den Dörfern und Städten rund um den Bodensee. “Offensichtlich können die Tiere inmitten der Häuserschluchten, Zierbäume und sauberen Nutzgärten immer seltener erfolgreich brüten.” Verbreitete Vogelarten wie Amsel (minus 28 Prozent), Buchfink und Rotkehlchen (je minus 24 Prozent) litten massiv unter den verschlechterten Lebensbedingungen.

Die Langzeituntersuchung steht in einer Reihe von beunruhigenden Berichten über die Bestandsentwicklung heimischer Vögel. In Deutschlands Gärten und Parks etwa waren Anfang des Jahres weniger Wintervögel zu sehen. Zehntausende Naturliebhaber zählten im Januar im Schnitt 37 Tiere, die sie bei der Aktion “Stunde der Wintervögel” des Naturschutzbund Deutschland (Nabu) innerhalb von 60 Minuten beobachteten. 2011 seien noch fast 46 Vögel pro Garten gemeldet worden. Ob ein tatsächlicher Rückgang der Bestände die Ursache sein könnte, müsse aufmerksam verfolgt werden, hieß es vom Nabu.

 

 

 

 

 

Am Bodensee sind die Arten je nach Lebensraum ganz unterschiedlich betroffen, zeigt die aktuelle Studie. Während bei 71 Prozent der auf Wiesen und Feldern lebenden Arten demnach die Bestände drastisch einbrachen, stiegen sie bei 48 Prozent der im Wald lebenden Arten – nur bei 35 Prozent gingen sie zurück. Ein Beispiel sei der Buntspecht mit einem Zuwachs von 84 Prozent. Auch rund um die Gewässer am Bodensee hätten mehr Arten zu- als abgenommen – einer der Gewinner: der Höckerschwan.

 

 

Auf den ersten Blick erscheint die Bilanz von 1980 bis 2012 ausgewogen: Von den 158 rund um den Bodensee vorkommenden Vögeln nahmen die Bestände von 68 Arten zu und von 67 ab. Die Gesamtzahl an Arten stieg sogar. Auf acht ausgestorbene Arten kamen 17, die sich neu oder wieder angesiedelt haben. Darunter Weißstorch, Wanderfalke und Uhu, die laut den Ornithologen von Schutzmaßnahmen profitiert haben. “Trotzdem verlieren wir insgesamt an Biodiversität”, warnt Bauer. Viele Arten kämen nur noch in geringen, oft nicht mehr überlebensfähigen Populationen und an immer weniger Orten rund um den Bodensee vor. “Je nach Flächeneinheit betrachtet gibt es weniger Arten im Schnitt.”

 

 

 

 

 

Von den zehn häufigsten Vögeln am Bodensee hätten die Bestände bei sechs massiv abgenommen, bei zwei seien sie unverändert geblieben, und nur bei zwei hätten sie zugenommen. Die Bestände des Haussperlings, der 1980 noch die häufigste Art war, seien um 50 Prozent eingebrochen. Bauer fügt hinzu: “Das sind wirklich erschütternde Zahlen – vor allem, wenn man bedenkt, dass der Rückgang der Vögel schon Jahrzehnte vor unserer ersten Datenerhebung 1980 begonnen hat.”

 

 

 

 

 

joe/dpa

 

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alexandra

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