Bundesregierung streitet erneut über Pestizide
Das Bundesamt für Verbraucherschutz hatte Pestizide nur unter Auflagen zugelassen. Ein Gericht hielt das für unzulässig. Nun streiten Landwirtschafts- und Umweltministerium, ob das Urteil akzeptabel ist.
In der Bundesregierung gibt es neuen Streit über die Zulassung von Pflanzenschutzmittel und deren Auswirkungen auf Insekten. Zuletzt hatten Gerichte strengere Auflagen für die Anwendung der Spritzmittel kassiert, das Landwirtschaftsministerium unter Julia Klöckner (CDU) hätte dagegen in Berufung gehen können, unterließ es jedoch. Dieses Vorgehen stößt auf Kritik aus dem Umweltministerium unter Leitung von Svenja Schulze. Die SPD-Politikerin hatte gefordert, Rechtsmittel gegen die Entscheidungen einzulegen. Das Ministerium warnte vor gravierenden Auswirkungen auf die Insektenwelt.
Konkret geht es um die Unkrautbekämpfungsmittel Sunfire und Corida sowie das Insektizid Fasthrin 10 EC. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das dem Landwirtschaftsministerium untersteht, hatte die Mittel nur unter Auflagen zugelassen, weil das Umweltbundesamt Bedenken angemeldet hatte.
Daraufhin klagten Pestizidhersteller gegen das BVL. Sie wollten die Einschränkungen für den Einsatz der Mittel nicht akzeptieren und bekamen Recht. Das Verwaltungsgericht Braunschweig verpflichtete die Behörde Anfang September, die Genehmigungen für die Mittel ohne Auflagen zu erteilen. Dagegen hätte das BVL bis spätestens Mittwoch Berufung einlegen können, was nicht geschah. Zuerst hat die “Süddeutsche Zeitung” über den Streit in der Bundesregierung berichtet.
Landwirtschaftsministerium zweifelt Erfolgschancen einer Berufung an
Die durch das Gericht einkassierten Auflagen sahen vor, dass Sunfire in drei Jahren höchstens einmal verwendet werden sollte, um das Grundwasser vor Abbauprodukten des Mittels zu schützen. Diese lassen sich in der Trinkwasseraufbereitung schlecht entfernen.
Corida und Fasthrin sollten auf höchsten 90 Prozent der Ackerflächen eines Betriebs ausgebracht werden dürfen. Die restlichen zehn Prozent sollten als Rückzugsort für Vögel, Insekten und Pflanzen dienen, die unter dem Einsatz der Mittel nicht leben oder auf den Flächen kein Futter finden können.
Das Landwirtschaftsministerium erläuterte am Mittwoch, man teile die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Braunschweig, dass es für eine Verpflichtung der Landwirte zur faktischen Aufgabe von mindestens zehn Prozent ihrer Ackerflächen keine gesetzliche Grundlage gebe. Klöckner habe daher entschieden, keinen Widerspruch einzulegen, sagte eine Sprecherin.
Die Richter hatten argumentiert, die “Berücksichtigung unannehmbarer Auswirkungen auf die biologische Vielfalt” sei nicht möglich. Es mangele an von der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde (Efsa) anerkannten wissenschaftlichen Methoden, die Effekte der Mittel auf die Umwelt zu bewerten.
Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte, es könne nicht im Sinne des Europarechts sein, dass es einen Auftrag gebe, die biologische Vielfalt zu achten, dies aber wegen fehlender Detailregeln nicht umgesetzt werden könne. So bedeutende Fragen sollten nicht durch erstinstanzliche Urteile geklärt werden.
Unabhängig von der aktuellen Diskussion hat das Bundeskabinett ein Paket mit Regelungen beschlossen, die mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft durchsetzen sollen. Dazu gehört ein Verbot des Pestizids Glyphosat Ende 2023. Der Einsatz von Schädlingsgiften soll insgesamt stark eingeschränkt werden.
Noch ist das Vorhaben aber nicht rechtlich verbindlich. Gegen die Pläne gibt es massive Proteste von Landwirten.
jme/dpa
spiegel.de
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