So oft denken wir, wir müssten endlich mal was ändern. Die Bücher auf unserem Nachttisch lesen, uns gesünder ernähren, mehr Yoga machen und am besten mal anfangen zu meditieren. Ayurveda ist die Lehre des langen gesunden Lebens. Für mich war es einerseits Liebe auf den ersten Blick, und andererseits jahrelang zu komplex um es in meinen Alltag zu integrieren.
Ayurveda hält für uns Tools bereit, wie wir langfristig gesund leben können ohne auf neue Ernährungstrends und Verbote zu hören. Es gibt allerdings ein großes ABER. So intuitiv und einfach wie Ayurveda ist, so komplex und tiefgehend ist es auch. Es bietet unglaublich viele Möglichkeiten uns im Detail zu verlieren, den Anspruch unerreichbar hoch zu setzen und dann schnell wieder überfordert aufzuhören mit dem Gedanken “Ayurveda funktioniert in meinem modernen Leben nicht”. Genauso ging es mir.
Ich tauchte ein in das Ayurveda und versuchte von heute auf morgen alles zu verändern. Und damit bin ich – oh Wunder – voll auf die Nase gefallen. Wir brauchen ein System und eine Herangehensweise, die zunächst mal ein Fundament in unserem Alltag schafft, unsere Körperwahrnehmung schult und uns ermöglicht Stück für Stück all die gelernten, verwirrenden “Wahrheiten” über Ernährung und Selfcare Rituale loszulassen.
Dafür gibt es ein paar ganz simple Grundlagen mit denen Du anfangen kannst.
Bevor Du Dich in den Konstitutionstypen und der Nahrungsmittellehre verlierst, etabliere eine Ernährungsstruktur in Deinem Alltag. Eine Struktur, die dem Schlüssel Deiner Gesundheit ermöglicht ins Gleichgewicht zu kommen. Dein Stoffwechsel. Da laut Ayurveda 98% aller Krankheiten ihren Ursprung in einem Stoffwechsel im Ungleichgewicht haben, liegt der Fokus darauf Deinen Stoffwechsel wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das A und O dafür ist die Ernährungsstruktur.
Unser Körper folgt dem Rhythmus der Natur. Egal wie zivilisiert wir leben und ob wir das wollen oder nicht. Wir müssen lernen uns diesen Zyklen wieder anzupassen. Das ist der Schlüssel dazu, dass der Körper wieder die Kapazitäten bekommt um sich selbst zu heilen. Der wichtigste Zyklus zu Beginn ist der Tageszyklus, insbesondere der unserer Verdauungskraft. Diese Kraft ist, wenn die Sonne am höchsten steht am stärksten. Deshalb hatte Oma immer um 12 Uhr das Essen auf dem Tisch.
Die Empfehlung ist also zunächst Deine Hauptmahlzeit auf die Mittagszeit zwischen 10-14 Uhr zu legen und dort vor allem darauf zu achten, dass Du ausreichend Fett und Eiweiß zu Dir nimmst. Das sind die Nährstoffe, die für den Körper am schwersten zu verdauen sind. Du darfst also weiterhin Dein Steak, den Fisch oder Nudeln Bolognaise essen, aber eben lieber Mittags als Abends um 20 Uhr. Morgens und Abends ist unsere Verdauungskraft nämlich eher mäßig stark. Deshalb wollen wir morgens etwas zu uns nehmen was die Verdauung unterstützt. Das ist aus ayurvedischer Sicht zum Beispiel irgendeine Form von Porridge. Das muss nicht immer der klassische Haferbrei sein, sondern kann auch Milchreis, Hirse, Quinoa, Chiasamen oder sonstiges enthalten. Ein optimales Frühstück hinterlässt Dich energiegeladen, bringt Dich stabil über den Vormittag und lässt Dich kräftig Hunger haben zur Mittagszeit.
Da wir Mittags ordentlich geschlemmt haben, ist das Abendessen nur noch dazu da uns ohne Hunger zum Frühstück zu bringen. Im englischen hieß das Abendessen Supper, was von Supplement kommt und so viel heißt wie “ein kleines Extra”. Dazu eignen sich am besten leicht verdauliche Dinge wie Suppen, Eintöpfe, Gemüsegerichte und leicht verdauliche Kohlenhydrate wie zum Beispiel Reis.
Damit haben wir für unsere Ernährungsstruktur ein warmes Frühstück was die Verdauung anheizt, ein ausgiebiges Mittagsmahl, was dann auch gut verdaut werden kann ohne ein Nachmittagstief zu verursachen, und ein leichtes, am liebsten frühes Abendessen. Wichtig ist alle Snacks dazwischen zu reduzieren. Wenn Du nicht auf Deine Schokolade verzichten willst, iss sie lieber direkt zu einer Mahlzeit als Nachtisch, als zwischendrin. Auch Saftschorlen oder Milchkaffees bringen unsere Verdauung und den Blutzucker durcheinander. Deshalb nimm auch diese am besten direkt zur Mahlzeit. Zwischendrin gilt Wasser- oder Teefasten.
Allerdings Obacht. Es gilt damit nicht komisch zu werden. All diese Prinzipien sind wertvoll um sie als Gewohnheit nach und nach zu etablieren. Damit Dein System sie als Gewohnheit erkennt, reicht es vollkommen aus sie öfter auszuüben, als dass Du sie nicht ausübst. Das bedeutet 4 Tage on 7 reichen. Wir können also wunderbar einen Rhythmus finden, der uns gleichzeitig den Spielraum lässt an einigen Tagen die Dinge einfach schleifen zu lassen oder unseren Gelüsten nachzugeben. Das ist tatsächlich einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg. Machen wir uns zu großen Druck und hängen den Anspruch zu hoch, werden wir diese neuen Gewohnheiten nicht lange durchhalten.
Hast Du Deine Ernährungsstruktur langsam umgestellt, wirst Du den Unterschied feststellen wie es Dir an den Tagen geht an denen Du Dich daran hältst und wie es an den anderen Tagen ist. Nach und nach entsteht ein inneres Bedürfnis danach Dich energiegeladen und ausgeruht zu fühlen. Dann wirst Du nicht auf die Tüte Chips am Abend verzichten weil es “richtiger” oder “besser” ist, sondern weil Du nicht bereit bist für eine Tüte Chips Dein Wohlgefühl des nächsten Tages herzugeben. Und dann wird alles viel einfacher. Denn dann wird es auch Abende geben, an denen Du mit Deinen Freunden zusammen sitzt und bewusst das Glas Rotwein mit einer Hand voll Chips genießen kannst. Wissend, dass Dein Schlaf wahrscheinlich nicht so erholsam ist wie sonst und es Dir morgen früh weniger gut geht als sonst. Aber Du dieser genussvolle Abend ist es Dir wert und es gibt weder Schuldgefühle noch Selbstentwertung dafür.
Ist dann die Ernährungsstruktur etabliert, kannst Du tiefer einsteigen in die Konstitutionsphilosophie. Denn ja, wir sind alle unterschiedlich und müssen daher auf verschiedenen Dinge achten. Aber das ist dann nachgelagert. Denn zu dem Zeitpunkt wirst Du Deine körperliche Intuition schon so weit gestärkt haben, dass es Dir viel einfacher fällt differenzierter wahrzunehmen wie es Dir nach bestimmten Nahrungsmittel oder auch zu verschiedenen Jahreszeiten geht.
Für mich ist diese Herangehensweise der Durchbruch gewesen. Nicht nur habe ich gelernt meinem Körper wieder zu vertrauen und mich leicht immer wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sondern auch eine viel liebevollere Umgehensweise mit mir begonnen. Und Hand auf’s Herz – das ist der eigentliche Schlüssel. Du kannst noch so viel Wissen über die Wirkungsweisen der verschiedenen Nahrungsmittel haben, wenn Du Dich selbst nicht so gerne magst, dass Du es liebst Dich gut um Dich zu kümmern, wird es immer schwer blieben. Wenn Du hingegen parallel Deine Sichtweise auf Dich selbst änderst, wird es immer und immer einfacher und Du kommst nicht nur körperlich, sondern auch auf mental-emotionaler Ebene immer mehr in Dein Potenzial. Es lohnt sich!