Alarmierende Studie zeigt, dass Menschen Coronavirus übertragen können, ohne selbst Symptome zu zeigen
Nun ist es offiziell: Das Coronavirus kann von Menschen verbreitet werden, die selbst keine einschlägigen Symptome haben.
In den zwei Monaten seit Beginn des COVID-19-Coronavirus-Ausbruchs sind zahlreiche Studien über das Virus veröffentlicht worden. Leider wurden nicht alle Studien einem Peer-Review (Bewertung durch Experten-Kollegen) unterzogen, und viele von ihnen widersprechen sich. Selbst diejenigen Studien, die von Fachleuten überprüft wurden, sind immer noch umstritten, und es scheint, dass verschiedene Studien unterschiedliche Ergebnisse erbracht haben. Zahlreiche Fallstudien an infizierten Patienten haben jedoch gezeigt, dass die Eindämmung des Ausbruchs möglicherweise noch schwieriger ist als bisher angenommen.
Eine Fallstudie, die diese Woche von chinesischen Forschern in der Zeitschrift JAMA veröffentlicht wurde, hat gezeigt, dass eine 20-jährige Frau aus Wuhan die Krankheit an fünf ihrer Familienmitglieder weitergegeben hat, aber selbst nicht erkrankt war. Um die Sache noch verwirrender zu machen, wurde die junge Frau zunächst negativ auf die Krankheit getestet, bevor ein Test Tage später dann schließlich positiv war.
Ein Bericht des chinesischen Zentrums für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten in der vergangenen Woche ergab, dass sich in rund 1,2% der offiziell bestätigten Fälle in China keine Symptome zeigten.
Unterdessen war mehr als die Hälfte der Personen, die auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess positiv getestet wurden, ohne Symptome. Auf dem Kreuzfahrtschiff zeigten in der Tat 322 der 621 getesteten Personen keine Symptome. Dies veranlasst viele Forscher zu der Vermutung, dass es mehr asymptomatische Fälle gibt, als uns bewusst ist, da bei den im Bericht des chinesischen Zentrums für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten aufgeführten Zahlen solche Personen, die nicht durch das Krankenhaussystem gegangen sind, nicht berücksichtigt wurden.
In einer Einsatzbesprechung Anfang dieses Monats vermutete Anthony Fauci, der Direktor des Nationalen Instituts für Allergie und Infektionskrankheiten, dass viele der asymptomatischen Fälle nicht erfasst werden, solange die Betroffenen sich nicht selbst ins Krankenhaus begeben.
„Es ist offensichtlich, dass es sich bei den Menschen, die in den Zahlen dieser Studien erfasst sind, um diejenigen handelt, die sich in einem Krankenhaus vorstellen. Es gibt jedoch eine weitere große Gruppe von Personen, die entweder asymptomatisch oder nur sehr gering symptomatisch sind“, so Fauci.
Ärzte glauben, dass die Frau aus der jüngsten Fallstudie eine Inkubationszeit von 19 Tagen hatte. Andere Studien haben gezeigt, dass die Inkubationszeit bis zu 24 oder sogar 27 Tage betragen könnte. Aufgrund der komplizierten Natur der Krankheit und ihrer Symptome hat der Epidemiologe der Harvard Universität, Marc Lipsitch, kürzlich vorausgesagt, dass die Krankheit zwischen 40% und 70% der Weltbevölkerung infizieren könnte.
Coronavirus-Update: Laut Weltgesundheitsorganisation könnte Übertragung durch Lebensmittel möglich sein
Laut jüngstem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde eine Untersuchung eingeleitet, um festzustellen, ob das SARS-CoV-2-Virus womöglich bei der weltweiten Einfuhr von Lebensmitteln übertragen wird oder nicht.
Das SARS-CoV-2-Virus, welches das COVID-19-Virus auslöst, könnte „weltweit auf Lebensmitteln vorkommen“ und „eine potenzielle Rolle von Lebensmitteln bei der Übertragung des Virus spielen“, heißt es in dem soeben veröffentlichten WHO-Lagebericht.
Welche Symptome verursacht das neue Coronavirus?
Der Erreger infiziert vor allem Zellen der unteren Atemwege. Dadurch scheinen manche Symptome einer Erkältung wie etwa Fließschnupfen nicht aufzutreten. Generell sind die Symptome der neuen Lungenkrankheit unspezifisch. Fieber, trockener Husten und Atemprobleme können auch bei einer Grippe auftreten. «Es reicht nicht aus, nur fieberhafte Personen zu testen», sagt Drosten. «Manche Menschen haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen.» Mitunter können Patienten auch Kopfschmerzen oder Durchfall haben.
Die Inkubationszeit – der Zeitraum zwischen Infektion und Beginn von Symptomen – beträgt 2 bis 14 Tage. Deshalb werden Verdachtsfälle zwei Wochen isoliert. Nachgewiesen wird eine Infektion meist durch den Nachweis von Erbgut des Coronavirus im Sputum, dem schleimigen Auswurf beim Husten.
Wie gefährlich ist der Erreger?
Das lässt sich momentan kaum beantworten. Der Anteil der Infizierten, der an der Lungenerkrankung stirbt, liegt nach derzeitigen Daten in China bei etwa 2 Prozent – höher als bei einer Grippe. Bei den Grippe-Pandemien 1957 und 1968 lag die Fallsterblichkeit nach Angaben von Drosten bei etwa 0,1 Prozent.
Den hohen Wert in China erklärt der Experte mit dem Umstand, dass dort vor allem schwere Fälle bekannt werden. «Viele Menschen melden sich in China erst dann, wenn sie wirklich krank sind. Diese Fälle sind nicht repräsentativ.»
«Wir kennen die tatsächlichen Fallzahlen nicht», sagt Schaade. Außerhalb Chinas ist die Fallsterblichkeit gegenwärtig geringer. Die geringe Todesrate sei zunächst ermutigend, «aber wir müssen das weiter beobachten», sagt Schaade.
Clemens Wendtner, der in der München Klinik Schwabing sieben Infizierte betreut, geht davon aus, dass «die Sterblichkeit deutlich unter einem Prozent liegt, eher sogar im Promillebereich». «Mit einer sehr, sehr gefährlichen Erkrankung hat das nicht viel zu tun», sagt er.
Wie lässt sich die neue Lungenkrankheit behandeln?
Eine spezielle Therapie für die Erkrankung gibt es nicht. Schwer erkrankte Patienten werden symptomatisch behandelt: mit fiebersenkenden Mitteln, der Therapie etwaiger bakterieller Zusatzinfektionen und mitunter mechanischer Beatmung.
Lässt sich die Epidemie mit den bestehenden Aktionen stoppen?
Die Coronavirus-Epidemie werde ihren Höhepunkt Mitte bis Ende nächster Woche erreichen, sagte der Chef des nationalen Expertenteams im Kampf gegen das Coronavirus, Zhong Nanshan, am Montag. Ob das realistisch ist, lässt sich deutschen Experten zufolge kaum abschätzen. «Ich kenne die Daten und Modelle der Chinesen nicht», sagt Schulz, er tendiert aber zu Skepsis. «Im Augenblick geht die Kurve noch steil nach oben.» Der Infektionsepidemiologe Schaade stimmt zu: «Ich wäre mit Prognosen sehr vorsichtig.»
Drosten ergänzt: «Entscheidend ist, ob China es schafft, die Übertragungen zu stoppen. Das kann ich mir schon vorstellen.» Hinzu komme jedoch eine zweite Frage, betont er: Nistet sich das Virus in Ländern mit schlechtem Gesundheitssystem etwa in Afrika oder Asien ein, wo es kaum noch zu kontrollieren wäre? Dann drohe dauerhaft eine neue Lungenkrankheit auf der Welt.
Schulz vermutet, dass die Krankheit in China mit Beginn der wärmeren Jahreszeit zurückgehen wird – ähnlich wie bei Grippe und Erkältungen.
«Die Frage ist, ob sie nächstes Jahr wiederkommt.»
2,096 total views, 4 views today